Welchen Einfluss hat der Raum auf die Zusammenarbeit mit Kunden und die Kundenerfahrung? Und wie nutzen Organisationen den Raum, um Kundenbeziehungen zu gestalten? ecloo ging diesen Fragen in drei unterschiedlichen Organisationen nach: in einer Verwaltung, in einer Not-for-Profit und einem Fachgrosshandel in der Baubranche.

Erster Schauplatz ist die Einwohnerkontrolle meiner Heimatstadt. Meine Frau ist aus Frankreich nach Winterthur gezogen und wir gehen gemeinsam auf die Verwaltung, um sie anzumelden. Durch die Eingangshalle gelangen wir in einen langen Korridor, nehmen eine Nummer und setzen uns wie die anderen Wartenden auch. Der Bau ist modern und das helle Holz strahlt eine gewisse Wärme aus. Trotzdem fühlen wir uns nicht ganz wohl beim Warten. Woran liegt das?

Einwohnerkontrolle 1Das Bild hat etwas Tayloristisches: Lange Gänge, Zahlen und Buchstaben, verschlossene Türen. Eine elegante Maschinerie, die Effizienz ausstrahlt, aber in der man sich doch etwas verloren fühlt.

Die zweite Reise führt nach Basel in eine bekannte Not-for-Profit, welche sich um die verletzlichsten Menschen in der Gesellschaft kümmert. Ich arbeite mit dieser Organisation als Berater an einem Workshop zusammen mit der Geschäftsleitung. Eines der Ziele ist es, die Kunden, also eben diese Menschen, besser zu verstehen, sie besser zu beraten und zu unterstützen. So macht man sich gemeinsam Gedanken zu entsprechenden Massnahmen. Der physische Erstkontakt findet über den Empfang statt, der sich im 3. Stock befindet. Etwas spöttisch wird der Empfangsbereich intern als Empfangsmauer bezeichnet, da es beim Hereinkommen nicht einfach zu sehen ist, ob jemand an der Réception sitzt. Der Erstkontakt hat Symbolwirkung und so werden zwei Szenarien diskutiert, wie der Empfangsbereich offener und auf den Menschen orientiert, gestaltet werden soll:

SRK BS Empfang Veränderung 1.eps

 

In der einfachen Version wird der Empfang wenig verändert, ausser dass aus der Wand ein Stück herausgeschnitten wird, so dass jede Person, die in den 3. Stock gelangt, einfach Blickkontakt herstellen kann. Das reduziert die Distanz zwischen der Organisation und den Kunden und erleichtert das In-Kontakt-Treten.

In einer zweiten, visionäreren Version zieht der Empfang ins Erdgeschoss in den Ladenbereich. Das ist aufwändiger, aber auch wirksamer:

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Die Mauer fällt: Der Kontakt mit dem Kunden auf Augenhöhe wird buchstäblich möglich. Der erste Kundenkontakt wird menschlicher, die Distanz zwischen Institution und Mensch verkleinert sich und bietet den ideale Ausgangspunkt, um die Bedürfnisse und Anliegen des Kunden zu verstehen.

Die Reise geht etwas weiter nach Norden, von Basel nach Freiburg im Breisgau. Dort treffe ich mich mit dem Inhaber und Geschäftsführer von Beschläge Koch, einer regional führenden Firma im Fachgrosshandel, ein Familienunternehmen in der 3. Generation. Ich komme etwas zu früh an und schaue mich im Laden um. In der Mitte befindet sich eine Verkaufsinsel mit Mitarbeitern, darum herum Kunden. Im Laden sind unzählige Produkte ausgestellt: Bohrmaschinen, Sicherheitskleidung, Holzbearbeitungswerkzeuge, Lichtsysteme usw. Man kommt auf mich zu, ohne aufdringlich zu sein. Im Laden herrscht eine harmonische und entspannte Stimmung, auch wenn viele Kunden da sind. Verkäufer und Kunden sind vertieft ins Gespräch:

Verkaufsinsel 2

Mir ist es wohl hier. Ich schaue mich um, bin fasziniert von der Vielfalt der Produkte und beobachte ungestört. Diese Eindrücke bestätigen sich dann auch beim Gang durch die Firma hinter den Kulissen. Der Inhaber redet locker und respektvoll mit allen Mitarbeitern. Die scheinen sich nicht kontrolliert zu fühlen, sondern kommen einfach ins Gespräch. Zum Schluss möchte ich vom Geschäftsführer wissen, wie es zu der Ausgestaltung des Ladens mit der Verkaufsinsel gekommen ist: “Wir haben verschiedene Optionen miteinander diskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass eine Insellösung die beste Möglichkeit ergibt, um mit den Kunden ins Gespräch zu kommen. Und wir haben keinen Grund gesehen, dass diese Lösung unserem Geschäft schadet.” Das klingt schon beinahe etwas nach Holacracy, gemäss deren Organisationsprinzipien Veränderungen von jeder Person in der Firma eingeführt werden können, ausser es kann dargestellt werden, dass diese Veränderung der Firma schadet.

Der Raum und dessen Ausgestaltung spielt eine wichtige Rolle in der internen und externen Zusammenarbeit: Wie gestalten Sie Ihre Räume, um Kunden auf Augenhöhe zu begegnen, diese besser zu verstehen und mit ihnen zusammen zu arbeiten?